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Di, 22.11.2022

„Hier zu sterben ist ganz schön schwierig!“

Krankenhaus-Kooperationsprojekt Bremen/Eikwe (Ghana) erfolgreich gestartet

Medizinischem Personal aus dem St. Martin de Porres Krankenhaus in Ghana eine Hospitation im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) in Bremen anzubieten und auf der anderen Seite Mitarbeitern des RKK die Erfahrung der Arbeit in Ghana zu ermöglichen, ist das Ziel des Kooperationsprojektes, welches Dr. Bernward Steinhorst ins Leben gerufen hat. Dr. Steinhorst, Chirurg, Oberarzt und Ausbilder im Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen, war bereits häufig ehrenamtlich in dem afrikanischen Krankenhaus tätig, das in dem kleinen Dorf Eikwe direkt am Meer liegt und ca. 200 000 Menschen versorgt. Der Austausch ist ein Angebot an RKK-Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, technische Mitarbeiter und Studenten. „Mir ist es wichtig, dass die Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen in Afrika auf persönlichen Freundschaften aufgebaut ist. Den Begriff „Entwicklungshilfe“ benutze ich eigentlich nicht mehr – außer wenn gemeint ist, dass beide Seiten sich weiterentwickeln wollen, denn so sollte es ja auch sein. Die Partner im Globalen Süden wollen ja nicht „entwickelt“ werden, sondern möchten lediglich den gleichen Zugang zu Ressourcen haben wie wir, um ihre eigenen Strukturen aufzubauen“, betont Dr. Steinhorst. Vielfach sind es nicht die materiellen Ressourcen, sondern die Organisationsstrukturen und die Kommunikation in der Klinik, die den Unterschied machen. „Die kann man nicht einfach kaufen, sondern muss sie leben und verstehen, was einen Austausch so wichtig macht. Dieser hilft uns auch, zu reflektieren, was unseren Erfolg hier in Bremen wirklich ausmacht“, sagt der Chirurg.

Resümee des ersten Besuchs

Ende Oktober 2022 verabschiedete das „RKK“ nach vier Wochen die ersten afrikanischen Hospitanten: den Allgemeinmediziner und stellv. Ärztlichen Direktor Dr. Jerry K. Eshun, die OP-Koordinatorin Ramatu Shaibu und den leitenden Pfleger der Notfallambulanz, David Ben Arthur, vom St. Martin de Porres Hospital. Mit im Gepäck: jede Menge neues Fachwissen, unbezahlbare Erfahrungen, die Motivation und das Wissen um machbare Veränderungen und Verbesserungen im eigenen Hospital – und viele neue Freunde. „Es ist ganz schön schwierig, hier zu sterben“, resümiert David Ben Arthur die Arbeit im RKK mit einem Augenzwinkern. „Die Ausstattung, das Personal und das Know-how in der Notaufnahme sind natürlich nicht vergleichbar mit unserem Krankenhaus. Wir sehen dem Tod dort jeden Tag ins Auge, wir können auch nicht einfach Patienten in andere Krankenhäuser weiterleiten. Aber hier im RKK gibt es sehr viele nützliche Regeln und Maßnahmen, die wir in Eikwe super umsetzen können - zum Beispiel Hygieneprotokolle, Infektionsschutz-Maßnahmen oder auch das Team-Time-out, wo alle Beteiligten vor der Operation kurz innehalten und einer fasst zusammen, was nötig ist. Im RKK kennt jeder seine Rolle, jeder weiß, was er zu tun hat, das verhindert unnötige Fehler und Diskussionen“, meint der Pfleger.

Der Operationssaal und die Sterilgutabteilung waren die Haupteinsatzfelder der OP- Koordinatorin Ramatu Shaibu. „Hunderte Geräte sind im RKK steril für ihren Einsatz im OP ausgebreitet - wir waschen in Ghana die paar Instrumente, die wir haben, selber mit den Händen statt mit der Spülmaschine. In Punkto Hygiene nehme ich auf jeden Fall umsetzbare Verbesserungen mit zurück. Ich habe auch gelernt, wie die Laparoskopie- Instrumente gereinigt werden, das ist sehr hilfreich, wenn wir diese Technik später mal bei uns in Ghana einführen“, sagt die junge Frau, die vom St. Martin de Porres Krankenhaus nun an die Eliteuniversität in der Hauptstadt für ein Bachelor Studium in Perioperativer Medizin entsandt wurde.

Dr. Jerry K. Eshun, stellv. Ärztlicher Direktor im Hospital, hat Einblicke in alle Bereiche des RKK gehabt – von der Notaufnahme über den OP, die Dialyse, Intensivstation bis ins Labor. Er wurde sowohl von den internistischen Kollegen als auch den Chirurgen des RKK „untergehakt“. „Die Organisation von Abläufen, verbindliche Verfahrensanweisun- gen, die Art der Kommunikation, das nicht-hierarchische Teamwork hier - aber auch ganz praktische Dinge wie „wie fixiere ich eine Arterie bei einer Gefäß-Operation“ – ich nehme eine Menge Informationen und Aufträge mit nach Ghana“, erklärt der 36-jährige Familienvater. Er fasst die Stimmung seines kleinen Teams zusammen: „Wir sind sehr dankbar für die Zeit im RKK und dass wir hier so freundlich empfangen, begleitet und weiter unterstützt werden“.

Die für alle erste Reise außerhalb Afrikas unterstützten neben Dr. Steinhorst und seiner Familie, wo die Gäste wohnten, auch die Kolleg:innen des Krankenhauses mit Kräften. Dicke Jacken wurden organisiert, Fahrräder und Helme sorgten nach anfänglicher Skepsis für viel Mobilität. Ob Singen im Chor, selbstgekochte afrikanische Schlemmermenüs, Miniaturwunderland und Hafenrundfahrt in Hamburg, Wattwanderung an der Nordsee, Kunsthalle, Freimarkt, Werder-Bremen-Spiele: Das Sightseeing und die Gemeinschaft kamen auch privat nicht zu kurz.

Dr. Jerry Eshun begleitete Dr. Steinhorst auch nach Berlin zur Verleihung des humanitären Förderpreises der Else Kröner-Fresenius-Stiftung. Den Preis bekam dieses Jahr eine Ordensschwester für den Aufbau einer chirurgischen Abteilung in einem Krankenhaus in Äthiopien verliehen. Nebenbei erlebte Dr. Eshun die deutsche Hauptstadt und nahm danach sechs Museen in zwei Tagen mit.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Die beteiligten Kolleg:innen im Rotes Kreuz Krankenhaus sind voll des Lobes für die Gäste. „Sie sind alle so herzlich, so wissbegierig und interessiert, es hat total Spaß gemacht“, sagt Dr. Dirk Hadler, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er organisierte mit seinem Team den Tag in Hamburg für die Gäste. „Ich werde einen „Arbeitsurlaub“ im kommenden Frühling in Eikwe machen und bekomme auch jetzt schon Röntgenbilder übermittelt, die ich mit den Kollegen dort bespreche“, sagt der Chirurg. „Sehr bereichernd“, empfand auch Hajo Findeisen, Assistenzarzt der Medizinischen Klinik seine Zeit mit Dr. Jerry Eshun. „Wir haben „zusammen“ viele Lungenultraschalle gemacht. Ich überlege, nächstes Jahr ehrenamtlich in Eikwe zu arbeiten“, sagt der angehende Internist. Das „Steri-Team“ nahm Ramatu Shaibu, die nach anfänglicher Schüchternheit schnell aufblühte, unter seine Fittiche. „Ramas, wie wir Ramatu nennen durften, war länger bei uns im Steri, als geplant, es hat ihr gut gefallen. Sie war auch mit uns auf dem Freimarkt“, erzählt Christine Heilrath, Leiterin der Aufbereitungseinheit für Medizinprodukte im RKK. Zurzeit arbeitet die unfallchirurgische Assistenzärztin Annelen Rüge aus dem RKK zusammen mit Bernward Steinhorst und seiner Frau Verena – sie ist Kinderärztin - in Eikwe.

Informationen zum „Ghana-Spendenprojekt“

Dr. Bernward Steinhorst, Chirurg, Oberarzt und Ausbilder in der Zentralen Notaufnahme im Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) arbeitet bis zu drei Monate jedes Jahr ehrenamtlich im Globalen Süden. Er ist auch Teammitglied bei „Ärzte ohne Grenzen“, mit denen er 2021 in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince operiert hat. Sein Herzensprojekt ist das St. Martin de Porres Hospital in der Stadt Eikwe in Ghana. Seit 2011 pflegt Dr. Steinhorst eine enge Beziehung zu diesem Krankenhaus. Er arbeitet dort als ehrenamtlicher Chirurg, als Ausbilder, als Partner. Mit Hilfe seiner Familie und einem großen Freundeskreis gelangen vom Röntgengerät über OP-Tische bis zu chirurgischen Instrumenten und Implantaten notwendige Dinge nach Eikwe – aus Spenden finanziert.

Das Kooperationsprojekt sowie die Arbeit im Krankenhaus vor Ort in Ghana können mit Geldspenden unterstützt werden:

Bankverbindung

Bank für Sozialwirtschaft AG,
GS Hannover
IBAN: DE37 3702 0500 0005 4724 00
BIC: BFSWDE33HAN
Verwendungszweck: Dr. Steinhorst
Online-Spenden: roteskreuzkrankenhaus.de/spenden

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